Restaurantkritik: Das Vintage in Köln

Vintage, Köln
Ostermontag (6. April 2015)


Ostermontag in Köln. Natürlich geht man an so einem Tag nicht „einfach mal schnell” irgendwo essen, es sei denn, man steht sich gerne neben quengeligen Kindern die Beine am überteuerten Osterbuffet in den Boden (sofern das Restaurant überhaupt geöffnet hat).

Auch wenn das Vintage schon seit knapp zwei Jahren im Kölner Rheinauhafen zu Hause ist (genau genommen in der Agrippinawerft, einem Hamburger HafenCity/Mainzer Winterhafen-ähnlichen Wohn-, Büro- und Dienstleistungsgebiet), hatten wir es bisher noch nicht als Gast hingeschafft. Die beiden früheren Standorte an der Pfeil- sowie Hahnenstraße sind mir in recht guter Erinnerung geblieben, weshalb das „neue” Vintage seither auf meiner mentalen „Eat-At”-Liste stand. Das flotte Motto des Restaurants lautet Save water, drink wine”; außerdem besitzt das Kölner Vintage einen eigenen Weinhandel, veranstaltet Kochevents und verkauft unter dem Namen „Köln ist ein Genuss” eigene Küchenprodukte (Wasser, Salz, Marmelade etc.)

Ich bin sehr gespannt, was Küchenchef Alen Radic uns auf den Teller zaubert.



Die Atmosphäre

Viel Glas und große Fensterfronten dominieren den Restaurantbereich. Während die Fenster im Eingangs- und Barbereich offen und freundlich wirken, ist es mir weiter hinten insgesamt viel zu hell. Zu allem Überfluss dominieren weiße Tischdecken und Stühle mit weißem Stoffüberzug die Einrichtung, man fühlt sich fast wie auf einer Kommunion/Hochzeit (ich war noch auf keiner von beiden, stelle es mir aber so vor). Leichte Entschärfung gibt es durch ein paar rustikale Holzregale, die mit Weingläsern bestückt sind und als eine Art Trennwand zwischen Tischen fungieren. 

Mal davon abgesehen, dass Blanche DuBois sich wohl nur schwer mit der Atmosphäre angefreundet hätte, erinnert mich die Location an das Mainzer Bootshaus: Fensterfronten, maritimes Flair und freie Sicht auf den nur Meter entfernten Rhein und vorbeischippernde Container- und Flusskreuzfahrtschiffen – hat schon was. Abends stelle ich mir ein Besuch im Vintage jedenfalls noch schöner vor (oder im Sommer auf der angrenzenden Terrasse) 




Brot und eine Art Tomatenchutney vom Haus

Falls das Essen nichts ist: 
die Tatort-Wurstbraterei ist gleich nebenan ;-)

Das Essen 


Auf der Speisekarte finden sich einerseits Deutsch-Rheinische-Gerichte unter der Überschrift „He Simmer Zu Hus” (Kartoffelsuppe, Bach- saibling und Forelle), aber auch International-Asiatische Kreationen (Dreier Thunfisch, Caesar Salad, Kabeljau unter Miso-Kruste). Kaum haben wir angefangen, an unserem Aperitif (ein sehr gut gemachter Aperol Spritz) zu nippen, bringt der aufmerksame Kellner auch schon das Amuse-Gueule: Zweierlei Brot (insgesamt so viel, dass man sich allein daran satt essen könnte), ein fruchtig-scharfes Tomatenchutney, das hervorragend mit dem milden Tischolivenöl harmoniert und ein mediterranes, warmes Flair versprüht. Geht doch!

Die Zitronengrassuppe mit Gyoza zur Vorspeise ist eine willkommene Überraschung: zwar nicht klar, wie von mir angenommen, stattdessen auf Kokosnussmilchbasis und - Gott sei dank - dezent asiatisch (Zitronengras erinnert mich, wenn es zu hoch dosiert wird, gerne mal an Seife) Das Gyoza schmeckt herrlich frisch-knusprig und fast noch besser, als ich es in der Suppe versenkt habe.



Vorspeise: Zitronengrassuppe mit Gyoza (8,50 Euro)


Als netter Zeitvertreib zwischen den Gängen empfiehlt es sich, ein wenig durch die bemerkenswerte Auswahl von offenen Weinen zu kosten. Bereitwillig erklärt Julio uns die Tropfen bevor er nach Hinten verschwindet und im Handumdrehen mit vier Flaschen bepackt zurück an unseren Tisch kommt. Mein absoluter Favorit der kleinen Weinprobe: der 13er Grauburgunder vom Weingut Hensel, der dank seinem dezenten Barrique sehr komplex schmeckte und sich als guter Begleiter zum Hauptgang (Wiener Schnitzel) erwies.

                                     


Das Wiener Schnitzel ist hervorragend zubereitet: Dünnes, zartes Fleisch, in einer gut gewürzten Panade, ausgebacken in Butterschmalz. Die Portion ist auch ausreichend und der Preis (19,50 Euro) auch vertretbar. Lediglich die Beilage, ein Rucola-Kartoffel-Salat, hätte etwas mehr Pepp vertragen können und etwas Honig oder Zucker sowie Senf im Dressing auf keinen Fall geschadet. Auch der kleine (Extra-) Wunsch wurde zügig erfüllt: Preiselbeeren gehören für mich einfach zu einem perfekten Wiener Schnitzel.

Hauptspeise: Wiener Schnitzel mit Kartoffel-Ricola-Salat 
(19,50 Euro)


das Schnitzel war schön dünn, gewellt und in Butterschmalz 
gebraten: Bravo!!



Bei der Dessertauswahl dürfte die Küche noch kreativer sein, bzw. ein paar mehr Optionen auf der Karte haben. So gibt es nur ein Grießflammerie für doch leicht überteuerte 10,50 Euro und zwei Tartes. Die Rhabarbertarte schmeckt dank dem buttrigen Mürbeteig und der Joghurtcreme sehr gut und macht Lust auf Sommer, während das Erdbeersorbet etwas zu süß ist und mich an Konfitüre erinnert. 


Dessert: Rhabarber-Erdbeertarte mit Erdbeersorbet (7,50 Euro)  



Fazit: Durchweg gutes Essen, aufmerksamer Service sowie eine großzügige Auswahl von Weinen. Wären die Fenster nicht so kahl-nackt und die Gerichte pro Gang 1-2 Euro günstiger, hätte ich vielleicht sogar 5 Herzen vergeben.  







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